Interview von Bénédict Tercier
„Regierungsangestellte bringen ein großes Opfer“
Bénédict Tercier arbeitet bei der Kriminalpolizei des Kantons Freiburg und engagiert sich beim Personalverband für die Arbeitsbedingungen der Polizeiangestellten. Er blickt auf die Corona-Krise zurück und beschreibt die Herausforderungen der Pensionskassenreform.
Wie erlebten Sie und die Angestellten bei der Polizei die Corona-Krise?
Unsere Leistungen waren sehr stark gefordert, denn gehört die Polizei zu den einzigen Diensten, die rund um die Uhr arbeiten. Wir leisteten in vielen Bereichen Unterstützung und arbeiteten in mehreren Task Forces mit. Auch beteiligten wir uns an der Betreuung von Familien, deren Angehörige am Coronavirus erkrankten, und führten Menschen durch die zu unternehmenden Schritte und zu den Kontaktstellen. So arbeiteten wir zu 100 % im Dienst der Bevölkerung.Das alles mussten unsere Kollegen zusätzlich zu ihren täglichen Polizeiaufgaben bewältigen. Ausserdem wurde in dieser besonderen Zeit sogar ein Mordfall aufgeklärt.
Also eine soziale Aufgabe…
Ja, darauf legten wir den Schwerpunkt. Wir unterstützten auch die Kontrolle der Einhaltung Social-Distancing-Regeln und entlasteten die Gewerbepolizei bei Kontrollen in den Geschäften, Unternehmen und auf den Baustellen.Auch der Kantonale Führungsstab (KFS) und der Kantonsarzt erhielt unsere Unterstützung.
Parallel dazu organisierten wir die rechtlichen Aufgaben neu und setzten häufigere Pikettdienste ein, um unsere Arbeit fortzusetzen und die grundlegende Sicherheit im Kanton zu gewährleisten.
Es war eine sehr spezielle Zeit. Wir mussten noch flexibler sein als sonst und es galt eine Null-Fehler-Toleranz.
Was haben Sie aus diesen Ereignissen über Ihre Rolle gelernt?
In unsicheren Zeiten und Krisen wird uns viel mehr bewusst, wie stark sich die Bevölkerung auf Polizei, Pflegepersonal und Lehrpersonen verlässt. Jeder von uns erledigte seine Arbeit mit viel Herzblut und so perfekt wie nur möglich.
Wir mussten uns zuversichtlich zeigen. Da wir an vorderster Front tätig sind, stellt man uns Fragen. Während der Krise richteten wir zur Unterstützung der offiziellen Nummer des Kantons eine zusätzliche Hotline ein. Wenn sich die Leute Sorgen machen, rufen sie natürlich die Polizei an! Und die Polizei für sie da.
Wie fühlen sich die Polizeiangestellten heute?
Wir bleiben sehr vorsichtig. In den Pflegeheimen sind neue Herde entstanden, die die Spitäler an ihre Kapazitätsgrenze bringen. Ganze Schulklassen mussten in Quarantäne – wir sind noch nicht über den Berg. Deshalb gilt es wachsam zu bleiben.
Wie ist das Feedback aus der Bevölkerung zu Ihrer Arbeit während der Krise?
Die Leute wissen ganz genau, dass die öffentlichen Dienste auf eine noch nie dagewesene Krise vom ersten Tag an reagiert und vollen Einsatz geleistet haben. Das hat sicherlich das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei verstärkt. Die Menschen, die wir in dieser Zeit betreuten, konnten jederzeit auf uns zählen. Das hat auch uns mehr Selbstvertrauen gegeben. Wir sind sehr zufrieden damit, wie wir auf die Notsituation reagieren konnten und die Polizeiangestellten sind der Ansicht, ihrer Aufgabe nachgekommen zu sein.
Am 29.11.2020 muss sich die Freiburger Bevölkerung für oder gegen die Reform der Pensionskasse aussprechen. Wie beurteilen Sie den Kompromiss aus Sicht der Polizei?
Wir sind nicht gerade euphorisch über ein Projekt, das dem Staatspersonal bis zu 10 % seiner Rente kosten kann. Doch uns ist bewusst, dass durch diesen Kompromiss noch Schlimmeres verhindert werden kann. Die Reformmassnahmen sind unumgänglich, denn das Gesetz zwingt uns dazu; da kommen wir nicht darum herum. Jeder muss also seinen Teil dazu beitragen.
Wissen Sie, wir Polizisten sind nicht naiv. Wir wissen, dass wir für bestimmte Teile der Bevölkerung als verwöhnte Beamtinnen und Beamte gelten. Das wird am 29. November für den Ausgang mitbestimmend sein. Und das ist auch der Grund, weshalb die Polizeikorpsmitglieder sich für den Kompromiss ausgesprochen haben: Sie akzeptieren, dass sie durch eine Rentenkürzung ihren Teil des Opfers tragen müssen. Die Bevölkerung muss begreifen, dass die Staatsangestellten durch die Inkaufnahme einer erheblichen Rentenkürzung ein grosses Opfer bringen, um die Rekapitalisierung der Pensionskasse möglich zu machen.
Zudem ist unsere Situation eine besondere: Die Rentenverluste treffen uns aufgrund unseres Sonderstatus gleich doppelt. Wir sind gezwungen, bereits mit 60 Jahren in Rente zu gehen. Bisher konnten wir uns aufgrund der anerkannten erhöhten Belastung der Polizeiarbeit ohne Rentenkürzung mit 60 Jahren pensionieren lassen. Dieser Sonderstatus ist nach der Reform nicht mehr gewährleistet.
Deshalb fallen die Einbussen bei der Polizei höher aus als beim übrigen Staatspersonal. Wenn die Bevölkerung zum vernünftigen, vom Regierungsrat vorgeschlagenen Kompromiss ja sagt, muss dieser Sonderfall noch separat verhandelt werden. Die FEDE hat stets betont, dass sie den Kompromiss zwar akzeptiert, doch für Mitarbeitende mit erhöhter Belastung oder mit niedrigem Einkommen weiterkämpfen will.
Wie äussern Sie sich in Ihrem Umfeld, um die Bevölkerung von einem Ja zu überzeugen?
Trotz einiger Vorurteile uns «Beamtinnen und Beamten» gegenüber kennen die Bürgerinnen und Bürger unseres Kantons die Leistungsqualität der öffentlichen Dienste sehr genau. Sie wissen auch, dass diese Qualität von guten Arbeitsbedingungen abhängig ist, und da gehören die Altersrenten untrennbar dazu.
Die Unterschiede zwischen Mitarbeitenden im öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft werden zu Unrecht so stark betont. Wir alle haben ein Interesse daran, für sämtliche Angestellte in unserem Land faire Arbeitsbedingungen zu wahren. Das ist der soziale Kitt, der den Erfolg der Schweiz sichert.
In gut funktionierenden Gesellschaften arbeiten Bildung, Pflege und Sicherheit Hand in Hand. Auf diesen drei Grundpfeilern lässt sich eine Gesellschaft aufbauen.